(AB)WASSERLEITUNGEN – VERSTOPFUNG UND SANIERUNG
Immer wieder entstehen in der Verwalterpraxis Probleme im Hinblick auf verstopfte Abwasserleitungen und erforderliche Sanierungsmaßnahmen von Wasserzu- und -ableitungen. Als Kernproblematik stellt sich hier die Frage der Eigentumszuordnung dar. Hiervon nämlich ist die Antwort auf die Frage der Kostentragung bzw. Kostenverteilung und überhaupt der Beschlusskompetenz abhängig. Geklärt ist die Rechtslage bei den Wasserzuleitungen, nicht zweifelsfrei bei den Abwasserleitungen. Kommt es insbesondere in älteren Wohnanlagen vermehrt zu Wasserrohrbrüchen, steht schnell der Versicherungsschutz auf dem Spiel, weshalb eine umfassende Leitungssanierung erforderlich wird. Hier können dann Probleme entstehen, wenn nicht alle Wohnungseigentümer an einem Strang ziehen.
1 EIGENTUMSZUORDNUNG
Wasser(zu)leitungen
Wasser(zu)leitungen stehen bis zur ersten Absperrmöglichkeit durch den jeweiligen Wohnungseigentümer in seiner Sondereigentumseinheit im Gemeinschaftseigentum. Hierbei ist auch unerheblich, ob die konkrete Wasserleitung lediglich der Versorgung einer einzigen Sondereigentumseinheit dient. Auch eine derartige Wasserleitung steht bis zur ersten Absperrmöglichkeit in der Sondereigentumseinheit, die sie versorgt, im Gemeinschaftseigentum (BGH, Urteil v. 26.10.2012, V ZR 57/12, ZWE 2013 S. 205). Ab der ersten Absperrmöglichkeit im Sondereigentum stehen die Leitungen im Sondereigentum. Der Bundesgerichtshof (BGH) begründet dies damit, dass es systemfremd wäre, ein einheitliches Versorgungsnetz unnötig in unzählige Einzelteile aufzuspalten.
Abwasserleitungen
So eindeutig wie bei den Wasser(zu)leitungen lässt sich die Rechtslage bei den Abwasserleitungen indes nicht beurteilen. In der juristischen Literatur werden auch Abwasserleitungen entsprechend der maßgeblichen Rechtsprechung des BGH (a. a. O.) überwiegend dann als dem Sondereigentum zugehörig angesehen, wenn eine entsprechende Absperrmöglichkeit in der Sondereigentumseinheit vorhanden ist. Vermag dies auch ein seltener Fall sein, soll für Abwasserleitungen nichts anderes als für Wasser(zu)leitungen gelten (vgl. Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage, § 5 Rn. 32; Gerono in Timme, Beck-OK WEG, 30. Edition, § 5 Rn. 37; Griwotz in Jennißen, WEG, 5. Auflage, § 5 Rn. 63; Schneider in Riecke/Schmid, WEG, 4. Auflage, § 5 Rn. 59). Soweit keine Absperrmöglichkeit besteht, sind sie nach Auffassung des AG Heidelberg (Urteil v. 21.6.2017, 45 C 24/17) Gemeinschaftseigentum.
Das LG Berlin (LG Berlin, Urteil v. 4.3.2016, 55 S 21/15 WEG, GE 2016 S. 1288) musste zwar insoweit nicht abschließend Stellung nehmen, ist aber wohl der Auffassung, dass die Leitungen bis zur Abzweigung in die Hauptleitung dem Sondereigentum zuzuordnen sind (nicht eindeutig insoweit Armbrüster in Bärmann (WEG, 13. Auflage, § 5 Rn. 98), scheint sie aber ebenso wie Hügel/Elzer, (WEG, § 5 Rn. 40) ab Abzweigung von der Hauptleitung dem Sondereigentum zugehörig anzusehen). Abwasserleitungen sind jedenfalls keine Versorgungsleitungen. Zu berücksichtigen ist auch, dass es einen gravierenden Unterschied darstellt, ob ein Wohnungseigentümer etwas einer Leitung entnimmt oder ob er ihr auf der anderen Seite etwas zuführt.
Das LG Berlin ist allerdings der Auffassung, dass die Abwasserleitungen ab ihrer Abzweigung von der Hauptleitung dann dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen sind, wenn sie nicht ohne Eingriff in das Gemeinschaftseigentum verlegt werden können bzw. zugänglich sind. Sind sie also im oder unter dem Estrich verlegt, sind sie Gemeinschaftseigentum. In diesem Zusammenhang ist wiederum zu berücksichtigen, dass der BGH (a. a. O.) gerade offenlassen konnte, ob eine Leitung zwingend im Gemeinschaftseigentum steht, wenn sie nur unter Eingriff in das Gemeinschaftseigentum verlegt werden kann bzw. zugänglich ist. Angelegentlich einer konkreten Entscheidung zu dieser Frage dürfte er dies zwar bejahen, definitiv geklärt ist diese Problematik aber nicht.
Stets Gemeinschaftsordnung prüfen
Die Frage, ob und ggf. welcher Teil einer Leitung dem Sonder- oder Gemeinschaftseigentum zuzuordnen ist, stellt sich stets dann nicht, wenn die Leitungen insgesamt bereits in der Teilungserklärung dem Gemeinschaftseigentum zugeordnet wurden. Sämtliche wesentliche Gebäudebestandteile lassen sich nämlich dem Gemeinschaftseigentum zuordnen, was sich bereits aus der Bestimmung des § 5 Abs. 3 WEG ergibt. Der umgekehrte Weg ist nicht möglich. Gemeinschaftseigentum kann nie dem Sondereigentum zugeordnet werden – auch nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer. Es hilft also nicht weiter, wenn die Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung etwa eine Regelung enthält, dass die Leitungen – egal, ob Zu- oder Ableitungen – ab dem Abzweig von der Hauptleitung im Sondereigentum stehen. Eine derartige Regelung ist unwirksam (BGH, a. a. O.).
Allerdings können dem Wohnungseigentümer Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten auch betreffend bestimmter Bereiche des Gemeinschaftseigentums auf seine Kosten auferlegt werden. Auch hier ist die Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung auf entsprechende Bestimmungen zu prüfen.
2 ROHRVERSTOPFUNG
Notfall
Eine Rohrverstopfung – in aller Regel sind hiervon die Abwasserleitungen betroffen – stellt stets einen Notfall dar. Unerheblich von der konkreten Eigentumszuordnung des betroffenen Rohres bzw. Rohrteils ist jeder Wohnungseigentümer nach der Bestimmung des § 21 Abs. 2 WEG berechtigt, entsprechende Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.
Ursachenermittlung
Hauptproblem in der Praxis ist gerade bei Rohrverstopfungen die Frage nach deren Ursache. Tritt die Verstopfung im Bereich einer Sondereigentumseinheit – etwa Dusche, Toilette – auf, spricht vieles für ein Nutzerfehlverhalten des betreffenden Wohnungseigentümers. Befindet sich die Rohrverstopfung auch im Bereich der Abwasserzuleitung der Wohnung zum Hauptstrang, ist auch unabhängig von der konkreten Eigentumszuordnung dieses Rohrteils die Frage nach dem Verursacher geklärt. Ist es im Einzelfall jedenfalls einmal möglich, den verursachenden Wohnungseigentümer identifizieren zu können, kann er entsprechend zur Kostenerstattung herangezogen werden, bzw. hat die Kosten für die Beseitigung der Verstopfung selbst zu tragen.
Freilich ist stets zu berücksichtigen, dass abhängig vom konkreten Einzelfall, eine Rohrverstopfung nicht durch einmaliges Einleiten von Substanzen in die Abwasserleitung entsteht, die dort nicht zu entsorgen sind.
Verwalterpflichten
Wird dem Verwalter seitens eines Wohnungseigentümers eine Rohrverstopfung angezeigt und er gebeten, für entsprechende Abhilfe zu sorgen, sollte sich der Verwalter davor hüten, den Wohnungseigentümer auf seine vermeintliche Eigenverantwortlichkeit und Pflicht zur Schadensbeseitigung zu verweisen. Das kann er ausschließlich dann, wenn von vornherein feststeht, dass Schaden und Schadensursache im Sondereigentum liegen. Ist die Ursache der Verstopfung hingegen unklar, muss der Verwalter wegen der denkbaren Schadensursächlichkeit (auch) des Gemeinschaftseigentums unverzüglich das Erforderliche unternehmen, um die Schadensursache festzustellen. Verletzt er diese Pflicht schuldhaft, so haftet er für den Schaden des betroffenen Eigentümers auch dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Schadensursache ausschließlich im Sondereigentum lag.
Präsentiert ein Wohnungseigentümer dem Verwalter eine Rechnung infolge Beseitigung einer Verstopfung von Rohren im Bereich seiner Wohnung und bittet ihn um Kostenerstattung, sollte er anlässlich der nächsten Wohnungseigentümerversammlung eine Entscheidung der Wohnungseigentümer über die Kostenerstattung herbeiführen. Lediglich dann, wenn sich aufgrund der Angaben des Fachunternehmers in der Rechnung eindeutig entnehmen lassen kann, dass kein Nutzerfehlverhalten für die Verstopfung ursächlich war, kann er auch sogleich die Kosten erstatten.
3 SANIERUNG VON LEITUNGEN
Bei der Sanierung von Leitungen sind 2 Ausgangssituationen zu unterscheiden:
Die Leitung steht insgesamt im Gemeinschaftseigentum.
Die Leitungen stehen teilweise im Sonder- und teilweise im Gemeinschaftseigentum.
3.1 LEITUNGEN STEHEN INSGESAMT IM GEMEINSCHAFTSEIGENTUM
3.1.1 UNPROBLEMATISCHE INSTANDSETZUNGSMASSNAHM
Stehen die zu sanierenden Leitungen insgesamt im Gemeinschaftseigentum, stellt sich die Situation für den Verwalter vergleichsweise unproblematisch dar. Abhängig vom Umfang der Sanierungsmaßnahme wird im Vorfeld der konkreten Ausführungsbeschlussfassung ggf. zunächst eine Beschlussfassung über die Beauftragung eines Sonderfachmanns mit der Ermittlung des konkreten Sanierungsaufwands erforderlich. Im Nachgang hat der Verwalter dann mehrere Vergleichsangebote – mindestens 3 – geeigneter Fachunternehmen einzuholen und diese den Wohnungseigentümern mit dem Ladungsschreiben zu übersenden. Abhängig von Anzahl und Umfang der Angebote kann es auch ausreichen, dass der Verwalter einen entsprechenden Preisspiegel erstellt und diesen mit dem Ladungsschreiben übersendet, verbunden mit dem Hinweis, dass die Angebote im Verwalterbüro einzusehen sind und im Rahmen der beschlussfassenden Wohnungseigentümerversammlung zur Einsichtnahme bereitliegen werden.
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3.1.2 EIGENTÜMERPFLICHTEN
Im Zuge der Durchführung der Maßnahme sind die Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 4 WEG verpflichtet, „das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist.“ Das Betreten und Benutzen der Wohnung oder Teileigentumseinheit muss also im Rahmen der Durchführung von Maßnahmen der Rohrsanierung erforderlich sein. So sanierungsbedürftige Rohre im Bereich des Sondereigentums verlaufen, ist diese Voraussetzung selbstverständlich erfüllt. Der Wohnungseigentümer hat im Rahmen seiner Pflichten aus § 14 Nr. 4 WEG das Betreten seiner Sondereigentumseinheit auch für vorbereitende Maßnahmen zu dulden, also insbesondere für eine Bestandsaufnahme durch den beauftragten Sonderfachmann (OLG München, Beschluss v. 22.2.2006, 34 Wx 133/05, ZMR 2006 S. 388).
Der Wohnungseigentümer ist allerdings nicht verpflichtet, eigene Tätigkeiten zu entfalten, so Arbeiten im Bereich seiner Wohnung oder Teileigentumseinheit erforderlich werden. Er ist also nicht etwa verpflichtet, seine Möbel wegzuräumen (BayObLG, Beschluss v. 12.10.1995, 2Z BR 66/95, WuM 1995 S. 728). Für die entsprechend erforderlichen Maßnahmen hat vielmehr der Verwalter auf Kosten der Eigentümergemeinschaft zu sorgen.
Problem: Sanierung in 2 Wohnungen möglich
Müssen etwa Rohrleitungen in der Trennwand zwischen 2 Sondereigentumseinheiten instand gesetzt werden, ist eine entsprechende Sanierung sowohl von der einen Wohnung als auch von der anderen Wohnung aus möglich. In derartigen Fällen ist zu prüfen, in welcher Sondereigentumseinheit geringerer Schaden für das Sondereigentum entsteht. Ist eine Differenzierung nicht möglich, weil der Schaden gleich wäre, können die betreffenden Wohnungseigentümer die Entscheidung treffen, wer den Zugang ermöglicht. Können Sie sich nicht einigen, entscheidet das Los.
Problem: Vermietete Wohnung
Ein Mieter ist nur verpflichtet, Zugang zur Wohnung zu ermöglichen, wenn sich dies aus seinem Mietvertrag oder den gesetzlichen Regelungen zum Mietrecht ergibt. Die Bestimmung des § 14 Nr. 4 WEG bindet den Mieter nicht (BGH, Urteil v. 10.7.2015, V ZR 194/14, NJW 2015 S. 2968). Allerdings trifft den Mieter aus der Bestimmung des § 555a Abs. 1 BGB eine Duldungspflicht hinsichtlich der Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen. Und diese Duldungspflicht umfasst in erster Linie die Verpflichtung, die Wohnung zur Durchführung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen betreten zu lassen. Weigert sich der Mieter, muss ihn der vermietende Wohnungseigentümer notfalls entsprechend gerichtlich verpflichten lassen. Der Mieter kann auch nicht einwenden, dass etwa ein Beschluss der Wohnungseigentümer fehlt. Die Rechtsbeziehungen der Gemeinschaft gehen den Mieter nämlich nichts an (LG Saarbrücken, Urteil v. 8.2.2008, 10 S 33/08, ZMR 2008 S. 974).
Problem: Sich weigernder Wohnungseigentümer
Ermöglicht der Wohnungseigentümer nicht freiwillig Zutritt zu seiner Sondereigentumseinheit, kann er hierzu grundsätzlich gerichtlich gezwungen werden. Klägerin ist in diesem Fall die Wohnungseigentümergemeinschaft, weil ihr die Ausübung der Ansprüche der Wohnungseigentümer aus § 14 Nr. 4 WEG nach der Bestimmung des § 10 Abs. 6 Satz 3 HS 1 WEG obliegt. Es handelt sich um eine sog. „geborene“ Ausübungsbefugnis, weshalb es keines entsprechenden „Heranziehungsbeschlusses“ bedarf, die Gemeinschaft vielmehr als gesetzliche Prozessstandschafterin fungiert (BGH a. a. O.; LG Frankfurt, Urteil v. 26.4.2016, 2-09 S 26/14, ZWE 2016 S. 275).
3.1.3 ERSATZANSPRUCH DES WOHNUNGSEIGENTÜMERS
Erleidet der Wohnungseigentümer im Zuge der Durchführung der Rohrsanierungsmaßnahme einen Schaden an seinem Sondereigentum, ist dieser ihm zu ersetzen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.11.2005, I-3 Wx 140/05, ZMR 2006 S. 104). Insoweit handelt es sich nicht um einen klassischen Schadensersatzanspruch, sondern um einen verschuldensunabhängigen Aufopferungsanspruch. Zum Ersatz etwaiger Schäden ist die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet. Der geschädigte Wohnungseigentümer muss sich also seinen Anteil entsprechend des geltenden Kostenverteilungsschlüssels anrechnen lassen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.10.1994, 3 Wx 448/94, ZMR 1995 S. 86).
Achtung
Kein Ausgleich ohne Beschluss
Der Verwalter ist nicht befugt ohne Eigentümerbeschluss (vermeintliche) Ersatzansprüche einzelner Wohnungseigentümer zu erfüllen (LG München I, Urteil v. 16.9.2013, 1 S 21191/12, ZMR 2014 S. 145).
Ein Wohnungseigentümer kann den Schaden, der ihm nach § 14 Nr. 4 WEG zu ersetzen ist, auch fiktiv in Höhe des Nettobetrags der Reparaturkosten abrechnen, wenn er ihn in Eigenarbeit beseitigt (BGH, Urteil v. 9.12.2016, V ZR 124/16, ZMR 2017 S. 412).
Problem: Abzug „Neu-für-Alt“
In aller Regel muss im Rahmen einer Rohrleitungssanierung die Wand aufgeschlagen oder der Boden geöffnet werden. Insbesondere Tapeten und Bodenbeläge stehen im Sondereigentums des betroffenen Wohnungseigentümers. Dieser ist bekanntlich völlig frei darin, wie er sein Sondereigentum gestaltet. So kann der eine seine Wohnung mit hochwertigen Seidentapeten ausstatten, während der andere ganz auf eine Wandverkleidung verzichtet. Der eine kann billiges Laminat, der andere hochwertiges Parkett verlegt haben. Soweit ersichtlich waren Gerichte mit der Problematik noch nicht befasst, ob sich derjenige Wohnungseigentümer, der seine Wohnung hochwertiger ausgestattet hat, einen entsprechenden Abzug gefallen lassen muss. Aus diesseitiger Sicht muss er dies zweifellos nicht. Entschieden wurde aber bereits, dass sich der Wohnungseigentümer einen Abzug „Neu-für-Alt“ gefallen lassen muss (LG Dortmund, Urteil v. 21.10.2014, 1 S 371/13, ZWE 2015 S. 182), was nach diesseitiger Ansicht ebenfalls unzumutbar ist.
Kostenverteilung
Hinsichtlich der Kostenverteilung läge es zwar nahe, den für die Sanierungsmaßnahmen geltenden Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden. Die Bestimmung des § 16 Abs. 7 WEG regelt hingegen, dass zu den Verwaltungskosten gemäß § 16 Abs. 2 WEG auch der Ersatz des Schadens im Fall des § 14 Nr. 4 WEG gehört. Da § 16 Abs. 2 WEG ausdrücklich auch die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung regelt und der Gesetzgeber angeordnet hat, dass die Kosten des § 14 Nr. 4 WEG gerade nicht Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung nach § 16 Abs. 2 WEG sind, ist der für die Verteilung der Verwaltungskosten geltende Verteilungsschlüssel anzuwenden.
Konsequenz ist insoweit zwar, dass die Wohnungseigentümer den konkreten Verteilungsschlüssel für Aufopferungszahlungen nach § 16 Abs. 3 WEG auch dauerhaft abändern können. Mangels Beschlusskompetenz kann allerdings nicht beschlossen werden, dass der jeweils betroffene Wohnungseigentümer die Kosten für etwa in seinem Sondereigentum entstehenden Schäden selbst tragen muss (LG München I, Urteil v. 16.9.2013, 1 S 21191/12, ZMR 2014 S. 145).
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3.2 LEITUNGEN SIND TEILWEISE SONDER- UND TEILWEISE GEMEINSCHAFTSEIGENTUM
Hauptproblem: Beschlusskompetenz
Grundsätzlich sind Mehrheitsbeschlüsse, die in die Verwaltungszuständigkeit des Sondereigentümers eingreifen mangels Beschlusskompetenz nichtig. Problematisch stellt sich die Situation also dann dar, wenn das Leitungsnetz einheitlich saniert werden soll, die Leitungen teilweise aber im Sondereigentum stehen. Beschlusskompetenz besteht freilich grundsätzlich für die im Gemeinschaftseigentum stehenden Teile des Leitungsnetzes.
Sind die im Sondereigentum stehenden Teile des Leitungsnetzes tatsächlich sanierungsbedürftig, sollte der Verwalter den Wohnungseigentümern entsprechend vor Augen führen, dass sie nach der Bestimmung des § 14 Nr. 1 WEG verpflichtet sind, für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung zu sorgen. Weiter sollten die Wohnungseigentümer darüber aufgeklärt werden, dass im Fall der Fälle eines Schadens durch von ihnen nicht sanierte Rohrleitungen am Gemeinschaftseigentum den jeweiligen Wohnungseigentümer eine Schadensersatzpflicht trifft.
So ggf. die Gebäudeversicherung wegen vorangegangener mehrfacher Rohrbrüche eine Kündigung des Versicherungsvertrags ankündigt, sollte das Leitungssystem nicht saniert werden, ist an sich ein jeder Wohnungseigentümer aus der aus dem Gemeinschaftsverhältnis folgenden Treuepflicht verpflichtet, einer einheitlichen Sanierungsmaßnahme auch unter Einbeziehung der Leitungen, die in seinem Sondereigentum stehen, zuzustimmen. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG München (OLG München, Beschluss v. 20.3.2008, 34 Wx 46/07, NZM 2009 S. 548) könnte man als entsprechende Anspruchsgrundlage die Bestimmung des § 15 Abs. 2 WEG heranziehen, wonach die Wohnungseigentümer einen „der Beschaffenheit der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile … entsprechenden ordnungsmäßigen Gebrauch beschließen“ können.
Konkret würde die Rohrsanierung sowohl im Gemeinschafts- wie auch im Sondereigentum beschlossen. Die nicht anwesenden und nicht zustimmenden Wohnungseigentümer würden im Beschluss aufgefordert, binnen bestimmter Frist ihre Zustimmung zu dem Beschluss gegenüber dem Verwalter zu erklären. Im Beschluss wäre weiter zu regeln, dass der Beschluss bezüglich der Leitungen, die im Sondereigentum der Wohnungseigentümer stehen, schwebend unwirksam ist bis sämtliche Zustimmungen vorliegen. So nicht fristgemäß alle Zustimmungen vorliegen sollten, wäre beschlussweise weiter zu regeln, dass die betreffenden Wohnungseigentümer gerichtlich auf Zustimmung und Duldung der Sanierungsmaßnahme in Anspruch zu nehmen sind. Absolut gesichert ist dies allerdings nicht. Wie aber im Folgenden aufgezeigt wird, gibt es noch alternative Möglichkeiten.
Maßnahmenumfang klären
Zunächst sind die Grundlagen für die Instandsetzung des Leitungsnetzes zu schaffen. Hier ist zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme der Brauchwasserversorgungsleitungen, also der Kalt- und Warmwasser- sowie der Entwässerungsleitungen und aller damit verbundenen technischen Betriebsteile und Sanitärobjekte notwendig. Ggf. sind diese Maßnahmen auch auf die Zustandsfeststellung des Heizungsnetzes zu erweitern. Auch von dem wasserführenden Heizungsrohrnetz können Schäden ausgehen. Diese Bestandsaufnahme in allen Bereichen des Gebäudes, also sowohl im Gemeinschafts- als auch im Sondereigentum durchzuführen. Zunächst ist also über die entsprechende Beauftragung eines Sanitärsachverständigen zu beschließen. Ermächtigungsgrundlage für die entsprechenden Untersuchungsmaßnahmen das Sondereigentum betreffend stellt die Bestimmung des § 14 Nr. 3 WEG dar.
Beschlussfassung
Nachdem das Ergebnis der Bestandsaufnahme vorliegt, hat der Verwalter wiederum im Hinblick auf die Beschlussfassung zur konkreten Maßnahmendurchführung mindestens 3 Vergleichsangebote einzuholen und diese den Wohnungseigentümern zu übersenden. Das Ergebnis des Sachverständigengutachtens ist den Wohnungseigentümern gerade im Hinblick auf erforderliche Maßnahmen ihr Sondereigentum betreffend bekanntzugeben. Abhängig von der Architektur des konkreten Leitungsnetzes und aufgrund der Tatsache, dass die Leitungen bis zur ersten Absperrmöglichkeit in der jeweiligen Sondereigentumseinheit Gemeinschaftseigentum sind, kann es ohnehin im Rahmen der Sanierung der Leitungen, die im Gemeinschaftseigentum stehen, erforderlich werden, Maßnahmen in den Sondereigentumseinheiten durchführen zu müssen. Insoweit sollte den Wohnungseigentümern vor Augen geführt werden, dass eine einheitliche Sanierungsmaßnahme nicht nur kostengünstiger, sondern auch weniger zeitintensiv ist.
Konkret können den Wohnungseigentümern bezüglich der Leitungsteile, die sich in ihrem Sondereigentum befinden, 2 Wege eröffnet werden:
Sie schließen sich der Leitungssanierung betreffend der im Gemeinschaftseigentum stehenden Leitungsstränge auch für die in ihrem Sondereigentum stehenden Leitungen an.
Sie werden gebeten, die Leitungsteile, die sich in ihrem Sondereigentum befinden, binnen bestimmter Frist zu sanieren und einen entsprechenden Nachweis etwa in Form der Bestätigung eines Fachunternehmens oder eines Sachverständigen gegenüber dem Verwalter zu erbringen.
Um Wohnungseigentümern die erste Alternative unproblematisch zu ermöglichen, sollte der Einladung zur Eigentümerversammlung ein Vollmachtsformular beigefügt werden, in dem der Verwalter ermächtigt wird, im Namen und auf Rechnung der einzelnen Wohnungseigentümer die entsprechenden erforderlichen Sanierungsmaßnahmen der in ihrem Sondereigentum stehenden Rohrleitungen in Auftrag geben zu können.
Bleiben einzelne Wohnungseigentümer, die sich für die zweite Alternative entschieden haben, untätig, können sie entsprechend gerichtlich in Anspruch genommen werden (BayObLG, Beschluss v. 26.2.2004, 2Z BR 2/04).
Abstimmungsverhalten dokumentieren
Die Komplettsanierung eines Leitungsnetzes ist zeit- und insbesondere kostenintensiv. Nicht auszuschließen ist daher, dass entsprechende Sanierungsbeschlüsse gar nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande kommen. Der Verwalter hat insoweit das Abstimmungsverhalten der einzelnen Wohnungseigentümer exakt zu protokollieren bzw. zu dokumentieren. So nämlich die erforderliche Sanierungsmaßnahme aufgrund der Verweigerungshaltung von Wohnungseigentümern nicht zur Umsetzung kommen kann und es aufgrund dieser Weigerungshaltung zu Schäden am Gemeinschaftseigentum oder dem Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer kommt, haften diejenigen Wohnungseigentümer, die ihre Zustimmung zu dem Beschluss nicht erteilt haben, entsprechend auf Schadensersatz (BGH, Urteil v. 17.10.2014, V ZR 9/14, NJW 2015 S. 613).
Quelle Haufe